Wie Werder (Havel) entstand

1317 ist Werder in zwei Urkunden erstmals erwähnt worden. Die Lehniner Zisterziensermönche haben ihr Klosterstädtchen nachhaltig geprägt. Als der Weinbau nicht mehr funktionierte, sattelten die Werderaner auf Obst um

Die Zisterzienser prägten ihr neues Klosterstädtchen

Die Gründung Werders als Fischerdorf geht vermutlich auf das 9. oder 10. Jahrhundert zurück. Im Jahr 1317 wurde die Stadt erstmals in zwei Urkunden erwähnt. Die historischen Dokumente werfen ein Licht auf die Nähe des mittelalterlichen Städtchens zum Lehniner Zisterzienserkloster. Die Mönche waren offenkundig zunächst bestrebt gewesen, die Havel im Umfeld ihres Landbesitzes in ihre Verfügungsgewalt zu bringen, was mit der ersten Urkunde gelang. Mit der zweiten Urkunde hat Markgraf Waldemar dann auch den Ort Werder den Mönchen übertragen. Die Zisterzienser prägten ihr neues Klosterstädtchen nachhaltig. Lange Zeit gehörte neben der Fischerei der Weinbau zu den wichtigsten Einnahmequellen der Einwohner. Er wurde im Mittelalter von den Mönchen gefördert.

Werder erhielt bereits 1459 von Kurfürst Friedrich II. das Privileg, zwei Jahrmärkte abzuhalten. Auch Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. hinterließ in Werder seine Spuren. Für das auf der Insel stationierte Militär ließ er 1736 die Brücke zur Insel erneuern. Die je nach Jahreszeit moddrigen oder staubigen Straßen wurden gepflastert, nachdem seine Kutsche darin stecken geblieben war. 

 

 

Zur Obstkammer von Berlin und Potsdam

Die wirtschaftliche Entwicklung Werders vollzog sich besonders seit dem 18. Jahrhundert rasch und wechselvoll. Als der Weinbau zurückging, sattelten die Werderschen auf Obst um. Mit dem Etagenobstbau wurde jeder Quadratmeter Fläche genutzt. Die Stadt wurde als Obstkammer von Berlin und Potsdam bekannt. Außerdem gewannen Brauereien und Ziegeleien an Bedeutung.

Mit dem Rückgang der Ziegelproduktion um 1900 begann die fabrikmäßige Obstverarbeitung und verschiedene Industriebetriebe siedelten sich an. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde Werder zudem als Ausflugs- und Reiseziel immer beliebter. Das belebte die Gastronomie und besserte das Einkommen der Obstzüchter auf. Seit 1879 wird das Baumblütenfest gefeiert.

 

 

 

Von Kriegszerstörung verschont geblieben

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts verlief mit zwei Weltkriegen und der Inflation auch in Werder wechselvoll. Unter der Naziherrschaft wurden mehr als hundert jüdische Einwohner aus Werder in die Emigration getrieben, deportiert oder ermordet. Der Zweite Weltkrieg war eine Zäsur für die Stadt, wenngleich sie von Zerstörungen weitgehend verschont geblieben war. Ein Werderaner Arzt veranlasste die kampflose Übergabe an die Rote Armee am 3. Mai 1945.

In der DDR wuchs Werder zum Zentrum des Havelländischen Obstanbaugebietes, in dem fünf große Genossenschaften 12.000 Hektar bewirtschafteten. Nach der Wende knüpften Familienunternehmer und Mittelständler an die alte Obstbautradition an. In der Altstadt begann die Sanierung und mit Quartieren wie dem Strengfeld oder den Havelauen wurden auch neue Standorte für Wohnen und Gewerbe geschaffen.

Wendejahre

Stadtansichten von 1974 bis 1991.

Die Bilder aus dem Stadtarchiv Werder (Havel) wurden für die Ausstellung „30 - Eine Generation“ zusammengestellt. Die Ausstellung war im März-April 2019 anlässlich des Mauerfall-Jubiläums zu sehen.

„Lasst nicht nach“

21 Werderaner sind Ende Oktober 1989 ein hohes Risiko eingegangen, als sie im evangelischen Gemeindehaus ihre Unterschriften unter den Gründungsaufruf des Neuen Forums setzten, mit Name und Adresse. Viele trugen Schildchen, die mit Gardinenklammern an der Kleidung befestigt waren; „Befürworter des Neuen Forums!“.

Es war der Beginn der Arbeit des Neuen Forums in Werder (Havel). Das Ministerium für Staatssicherheit führte zu solchen Aktionen immer noch Buch. Am 3. Dezember 1989, einem nebligen Tag, kam es in Werder zu einer Kundgebung unter dem Motto „Lasst nicht nach“, die neue Ortsgruppe des Neuen Forums hatte dazu aufgerufen.

Hunderte Teilnehmer waren dabei. Zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit hat Bürgermeisterin Manuela Saß an die Menschen erinnert, die die Wendezeit und die ersten Aufbaujahre in Werder (Havel) geprägt haben.

Persönlichkeiten der Stadtgeschichte

Karl Hagemeister

Werders Ehrenbürger Karl Hagemeister (1848-1933) ist der bekannteste Künstler der Stadt. Seine Beziehung zum Wasser ist schon in jungen Jahren durch die Havellandschaft geprägt worden. Sein Leben lang zog es ihn an Orte, die mit dem Wasser verbunden sind. Zu seinem Werderaner Geburtshaus in der Kirchstraße kam er immer wieder zurück.

Adolf Damaschke

Adolf Damaschke (1865-1935) war Pädagoge und Bodenreformer. Er gründete Siedlungsgesellschaften und Mietergenossenschaften und veröffentlichte Schriften und Bücher. Auf sein Bestreben wurde 1919 ein Paragraf in die Reichsverfassung eingeführt, der Missbrauch beim Bodenhandel verhindern sollte. Seit 1907 lebte er in Werder.

Christian Morgenstern

Der Dichter Christian Morgenstern (1871-1914) ist eng mit Werder verbunden. In den Jahren 1895 und 1896 traf er sich mit Berliner Künstlerfreunden in der Höhengaststätte auf dem Galgenberg (später Bismarckhöhe). Bei schwarzhumorigen Trinkgelagen entstanden hier die bekannten Galgenlieder. Ein Museum erinnert daran.

Otto Lilienthal

Karl Wilhelm Otto Lilienthal (1848-1896) war ein deutscher Luftfahrtpionier. Nach vielen vergeblichen Flugversuchen baute er 1891 das Modell Nr. 3, mit dem er es von einem 64 Meter hohen Berg im Werder-Ortsteil Derwitz schafft, 30 Meter durch die Luft zu gleiten. Ein kleines Museum und ein Denkmal in Derwitz erinnern daran.

Brigitte Ahrenholz

Brigitte Ahrenholz (1952-2018) war eine bekannte Ruderin aus Werder und gewann zahlreiche internationale Medaillen. Ihr größter Erfolg war 1976 bei den Olympischen Spielen in Montréal im Achter der Olympiasieg. Nach ihrer Sportkarriere war sie in Werder als Chirurgin tätig. Seit 2008 war sie Vorsitzende des Ruder-Klubs Werder (Havel).

Jüdische Schicksale in Werder (Havel)

Rede von Bürgermeisterin Manuela Saß vor dem früheren Kaufhaus Jacob zum Gedenken an den 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, 27. Januar 2020

„Am 27. Januar 1945 hat die Rote Armee die überlebenden Gefangenen des Konzentrationslagers Auschwitz befreit. Einige Tage später wurde die Weltöffentlichkeit über die Gräueltaten informiert. Die Ermittler fanden über eine Million Kleider, ca. 45.000 Paar Schuhe und sieben Tonnen Menschenhaar, die von den KZ-Wächtern zurückgelassen worden waren. 75 Jahre ist das her. Mindestens 1,1 Millionen Menschen wurden in Auschwitz umgebracht. So unglaublich diese Zahl auch ist: Sie kann kaum das menschliche Leid dahinter transportieren.

Die freiheitlichen Grundwerte, die wir heute leben, sind verletzlich. Dass muss auch einer Generation vermittelt werden, der diese Werte selbstverständlich erscheinen.

Wir stehen hier vor dem früheren Haus von Max Jacob und seiner Familie, deren Schicksal wie das vieler anderer von den Nazis verfolgter und ermordeter Werderaner von der Arbeitsgruppe Erinnern und Bewahren dokumentiert wurde. Das Warenhaus  Jacob bestand hier bis zum Jahr 1938. Über den Schaufenstern in der Torstraße 3 prangte werbewirksam der Schriftzug ,Kaufhaus Jacob‘.

 

In der Pogromnacht 1938 wurde das Kaufhaus Jacob verwüstet. Max Jacob musste das Geschäft nach dem Verbot der Geschäftstätigkeit von Juden bald darauf aufgeben. Seine zweite Frau Else Jacob stirbt 1941 im Jüdischen Krankenhaus. Max Jacob wird 1942 ins Warschauer Getto deportiert. Von dort aus wird er wenig später ins Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet.

Seine Tochter Käte Jacob wird im Januar 1943 nach  Auschwitz deportiert und dort ermordet. Sein Sohn Kurt Jacob und dessen Frau Frieda Jacob werden 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Mehr als hundert jüdische Einwohner aus Werder sind in der Nazizeit in die Emigration getrieben, sind deportiert oder ermordet worden. Für viele von ihnen endete der Weg in Auschwitz. Der Name Auschwitz steht für den industriellen Massenmord der Nazis. Er steht für unendliches Leid, für die systematische Vernichtung jüdischer Mitbürger auch aus Werder, für die Ermordung von Widerstandskämpfern und Kriegsgefangenen und für  den Völkermord an europäischen Sinti und Roma.

 

Die SS betrieb den Lagerkomplex von 1940 bis 1945. Die europaweit gefangen genommenen Menschen wurden per Bahn, eingepfercht in Viehwaggons, in das KZ transportiert. Für viele der Neuankömmlinge führte der Weg direkt in die Gaskammern. Die wenigen Überlebenden, die heute noch mündlich Zeugnis von der Befreiung ablegen können, waren damals oft noch Kinder. Sie waren teilweise im Alter der Schüler, die heute an unserem Gedenken teilnehmen.

Die freiheitlichen Grundwerte, die wir heute leben, sind verletzlich. Dass muss auch einer Generation vermittelt werden, der diese Werte selbstverständlich erscheinen. Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Menschen erniedrigt, verletzt und ausgegrenzt werden. Wir dürfen nicht wegschauen,  wenn Hass und Vorurteile gegen Menschen geschürt werden, die anderen Glaubens oder anderer Herkunft sind.

Wir dürfen auch nicht wegschauen, wenn Naziparolen an Hauswände geschmiert und unsere Erinnerungsorte geschändet werden. Der Opfer der Nazi-Diktatur zu gedenken und uns gleichzeitig die Verantwortung für das politische Erbe der  Verbrechen bewusst zu machen ist eine Aufgabe, der wir uns alle gemeinsam auch in der Gegenwart und an einem Ort wie diesem stellen müssen.“

Audioguide „Jüdische Schicksale"

Im nachfolgenden Link findet sich der Audioguide „Jüdische Schicksale", den das Aktionsbündnis „Weltoffenes Werder" mit Schülern von vier Werderaner Schulen entwickelt hat. Auf der Karte sind zum einen  13 Audio-Stationen zu finden und zu hören. Zum anderen lassen sich über das Symbol oben rechts in der Karte die Standorte der Stolpersteine anzeigen.


 

Unsere Heimat- und Geschichtsvereine

In Werder (Havel) und vielen der Werderaner Ortsteile engagieren sich Heimatvereine für die Traditionspflege, die Heimatpflege sowie die Erforschung, Erhaltung und Bewahrung des regionalen Erbes.
Heimatverein Werder e.V.
Vorsitz: Erhard Schulz
Werderwiesen 1
14542 Werder (Havel)
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AG Erinnern und Bewahren
Achim Thiele
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Heimatverein Glindow
Vorsitz: Antje Titscher
Kietz 3
14542 Werder (Havel)
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Heimatverein Kemnitz
Vorsitz: Joachim Thiele
Kemnitzer Dorfstraße 7
14542 Werder (Havel), OT Kemnitz
Tel. (03327)712 57
E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Heimatverein Petzow e.V.
Vorsitz: Karl-Heinz Friedrich
Fercher Strasse 50b
14542 Werder (Havel)
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Heimatverein Phöben e.V.
Vorsitz: Elke Jäger
Bergstraße 4
14542 Werder (Havel)
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Heimat- und Sportverein Neu Plötzin e.V.
Vorsitz: Friedhelm Boek
Brandenburger Chaussee 22
14542 Werder (Havel)
Tel. (03327) 40 878
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Heimatverein Insel Töplitz e.V.
Vorsitz: Torsten Schmidt
E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
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Literatur zur Stadtgeschichte

„Ein kleines märkisches Inselstädtchen, umspült von den bald aufgeregten, bald spiegelglatten Wassern der seenartig verbreiterten Havel, umsäumt von einem Hügelkranz bewaldeter Höhen, über die zweimal im Jahr der Schnee fällt; im Winter das Geriesel Frau Holles; im Frühjahr der weiße, weiche Flaum zur Erde getragener Blütenträume.“

- Aus einem Heimatführer
aus den 1920er-Jahren

https://www.werder-havel.de/images/stories/com_form2content/p2/f2614/thumbs/Chronik_WerderHAvel-1.jpg

Zum 700. Jubiläum der Stadt im Jahr 2017 ist eine Siebenbändige Chronik der Ortsgeschichte von Werder (Havel) erschienen. Herausgeber sind unsere geschätzten Chronisten Dr. Baldur Martin (Ehrenbürger), Dr. Klaus-Peter Meißner und Dr. Klaus Froh, die - wie insgesamt 24 Schreiberinnen und Schreiber - alle auch als Autoren zu Wort kommen.

Im Ergebnis einer Historikertagung, die zum Stadtjubiläum stattgefunden hat, ist im Jahr 2021 außerdem das Buch „Eine ganz besondere Stadt. 700 Jahre Werder (Havel)“ erschienen. Historiker und Archivare haben Werders Stadtgeschichte darin in den historischen Kontext der brandenburgischen Landesgeschichte gestellt.

Zahlreiche weitere Bücher und Bände sowie die jährlich im Auftrag des Heimatvereins Werder herausgegebenen „Heimathistorischen Beiträge“ beschäftigen sich mit den unterschiedlichsten Themen und Abschnitten der Stadtgeschichte.