Warum tagen die Stadtverordneten nicht per Video?

In den vergangenen Tagen sind mehrere Ausschusssitzungen aufgrund der pandemischen Lage abgesagt worden. Wäre es nicht auch anders gegangen?

Foto: S.Gnatiuk / stock.adobe.com
Foto: S.Gnatiuk / stock.adobe.com

Nach der Präsenzsitung der Stadtverordneten am 13. und 17. Januar sind in den vergangenen Tagen in Werder (Havel) mehrere Gremiensitzungen aufgrund der pandemischen Lage abgesagt worden. Auf einzelnen Internet-Plattformen wird gefragt, warum die Stadtverordneten und ihre Ausschüsse sowie die Ortsbeiratssitzungen nicht per Video- oder Hybridsitzung tagen. Es wird gefragt, warum die Bürger nicht per Videostream die Sitzungen verfolgen können. Teilweise wird der Eindruck erweckt, dass es Alternativen zum Handeln der Stadt geben würde. Wir beantworten dazu an dieser Stelle einige wichtige Fragen.

Warum müssen die Stadtverordneten trotz der Corona-Lage in Präsenz tagen?

Laut Kommunalverfassung des Landes Brandenburg tagt die Gemeindevertretung grundsätzlich in Präsenzsitzung. Einzige Ausnahme: Die Kommunalverfassung gibt den Gemeindevertretungen die Möglichkeit, die pandemische Notlage festzustellen. Auf Grundlage eines solchen, mit einer Zweidrittel-Mehrheit gefassten Notlagen-Beschlusses könnten die Stadtverordneten ausnahmsweise per Video oder Audio an der Sitzung teilnehmen. Für die Feststellung der pandemischen Notlage gab es in der Stadtverordnetenversammlung am 16.12.2021 aber keine Mehrheit. Die Bürgermeisterin hätte es lieber gesehen, wenn der Beschluss zur pandemischen Notlage gefasst worden wäre und hat dies auch öffentlich zum Ausdruck gebracht.  

Aber zu Beginn der Pandemie hieß es, dass die Stadtverordnetenversammlung überhaupt nicht per Video tagen kann.

Tatsächlich hat sich die Rechtslage am 1. Juli 2021 grundlegend geändert. Erst zu diesem Zeitpunkt ist die neue Regelung in der Kommunalverfassung wirksam geworden. Zuvor war das Thema Video- und Audiositzungen kommunaler Gremien in der Pandemielage in der Kommunalen Notlagenverordnung geregelt, die bis zum 30. Juni 2021 gegolten hat. Video- und Audiositzungen konnten demnach aber ausschließlich stattfinden, wenn alle Sitzungsteilnehmer während der Sitzung „ständig und gleichzeitig“ durch Bild- und/oder  Tonübertragung an der Beratung und Beschlussfassung teilnehmen konnten. Technische Probleme in den Haushalten der Mandatsträger konnten somit dazu führen, dass Beschlüsse rechtsunwirksam werden. In der neuen Regelung der Kommunalverfassung gibt es eine solche Klausel nicht mehr.

Im Frühjahr 2021 hatten doch wenigstens die Ausschüsse der Stadtverordneten per Video getagt. Warum geht das denn plötzlich auch nicht mehr?

Ausschüsse und Ortsbeiräte sind nur beratende, aber keine beschließenden Gremien. Die Gefahr, dass Beschlüsse laut Kommunaler Notlagenverordnung durch technische Probleme unwirksam werden, hatte somit bis zum 30. Juni 2021 nicht bestanden. Die neue, seit 1. Juli 2021 geltende  Regelung in der Kommunalverfassung besagt aber ganz deutlich, dass auch für Videositzungen der Ausschüsse und Ortsbeiräte der Beschluss der Stadtverordneten zur Feststellung der pandemischen Notlage zu fassen ist. Der liegt nicht vor und die Stadt muss rechtmäßig handeln. Damit sind auch für Ausschüsse und Ortsbeiräte nur Präsenzsitzungen möglich.

Kann man laut Kommunalverfassung nicht einfach alle Stadtverordneten zur Sitzung zuschalten und nur das Podium ist da? Dann ist das eben keine Video- sondern eine Art Hybridsitzung.

Das wird unter einzelnen Stadtverordneten immer wieder diskutiert. Tatsächlich ist eine sogenannte Hybridsitzung laut der neuen Regelung in der Kommunalverfassung auch ohne einen Beschluss zur pandemischen Notlage möglich. Es findet dann eine Präsenzsitzung statt, an der einige Stadtverordnete per Bildschirm zugeschaltet werden. Dafür müssen sie einen begründeten Antrag stellen. Im Grundsatz bleibt es aber eine  Präsenzsitzung. Dies setzt voraus, dass der größte Teil der Stadtverordneten tatsächlich am Sitzungsort präsent ist. Es können also nicht einfach alle Mandatsträger zugeschaltet werden.

Könnte man nicht wenigstens die Bürger schützen und die Stadtverordnetenversammlung als Video-Livestream im Internet übertragen?

Die Zulässigkeit von Ton- und Bildübertragungen der Sitzungen ist laut Kommunalverfassung nur mit einer entsprechenden Regelung in  der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung möglich. Eine solche Regelung ist in Werder abgelehnt worden. Eine  Ausnahme wäre laut Kommunalverfassung mit einem Beschluss zur pandemischen Notlage möglich. Einen solchen Beschluss haben die Stadtverordneten nicht gefasst. Damit kann trotz der Corona-Lage auch keine Übertragung der Videositzung ins Internet erfolgen.

Ist es nicht fahrlässig, überhaupt noch zu Präsenzsitzungen einzuladen?

Die Stadtverwaltung hat in den Vergangenheit umfangreiche Hygienemaßnahmen getroffen, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Unter anderem war die Stadtverordnetenversammlung vom Saal des Schützenhauses in den deutlich größeren Saal der Bismarckhöhe umgezogen. Aktuell werden Ausschuss- und Ortsbeiratssitzungen wegen der Corona-Lage abgesagt. Die Absage erfolgt nach Abstimmung der Bürgermeisterin mit den Sitzungsleitern, die Stadtverwaltung trägt diese Absagen also mit.

Und wie soll das weitergehen?

Sollte sich die Lage bis dahin nicht entspannen, wird die Bürgermeisterin der Stadtverordnetenversammlung bei der Sitzung am 24. März erneut den Beschluss einer pandemischen Notlage und die Durchführung von Videositzungen empfehlen.

Werder (Havel), 31.01.2022